Es ist Zeit, die Arbeit der Regierung und die bisher erfolgten Beschlüsse für das Bauwesen einzuschätzen: Was sagen die betroffenen Verbände?
Nach gut 100 Tagen hat die Bundesregierung zentrale Weichenstellungen für die Bauwirtschaft auf den Weg gebracht: Sondervermögen für Infrastruktur, Tariftreuegesetz und Vergabebeschleunigungsgesetz.
Was die Regierung bisher in die Wege geleitet hat:
- Sondervermögen für Infrastruktur: Am 02. Juli wurde vom Bundeskabinett ein Sondervermögen in Höhe von 100 Mrd. € für Länder und Kommunen beschlossen.
- Novelle des Bundesbaugesetzes: Am 18. Juni wurde der Bau-Turbo gezündet, u.a. mit Regelungen, die Kommunen Spielraum geben, um schneller neue Wohnungen zu bauen, Wohngebäude zu erweitern, aufzustocken und Gebäude in Wohnraum umzuwidmen, beispielsweise Gewerbeflächen und -gebäude.
- Vergabebeschleunigungsgesetz: Am 6. August beschloss das Kabinett einen Gesetzesentwurf zur schnelleren sowie einfacheren Vergabe öffentlicher Aufträge.
- Tariftreuegesetz: Am Tag darauf erfolgte ein Kabinettsschluss, um tarifgebundene Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge angemessen zu berücksichtigen.
In aktuellen Statements analysieren der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) diese ersten Zwischenziele der Regierung.
Sondervermögen: Abbau von Investitionsstaus?
Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur hofft die Bundesregierung, vor allem die vorhandenen Investitionsstaus abzubauen. Der HDB begrüßt diese Investitionen, fürchtet jedoch, dass durch die Streichung der Bedingung „Zusätzlichkeit“ für Länder die regulären Investitionsetats gekürzt und durch das Sondervermögen aufgefüllt werden. Leidtragende wären dann vor allem die Kommunen. Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller: „Wir halten es deshalb volkswirtschaftlich für dringend geboten, die Zusätzlichkeit auf allen staatlichen Ebenen ohne Abstriche umzusetzen und den Kommunen den Löwenanteil der Mittel zuzuleiten.“
Der ZDB blickt ebenfalls positiv auf das Sondervermögen und sieht darin „ein gutes Signal“. Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa kommentiert: „Die geplanten rund 34 Mrd. Euro für Straße, Schiene und Wasserstraße zeigen den politischen Willen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig zu machen.“ Er kritisiert ebenfalls die Streichung der „Zusätzlichkeit“, betont jedoch auch, dass es eine stärkere Perspektive für den Wohnungsbau braucht und das Sondervermögen zusätzliche Investitionen finanzieren müsse.
Vergabebeschleunigungsgesetz
Mit dem Vergabebeschleunigungsgesetzt will die Bundesregierung Planungs- und Vergabeprozesse insbesondere für Infrastrukturvorhaben beschleunigen und vereinfachen. Der ZDB sieht darin einen „klugen Kompromiss für unsere Infrastruktur und die ganze Bauwirtschaft“ und begrüßt den Kabinettsentschluss. Bei großen und dringlichen Infrastrukturprojekten soll ab rund 14. Mio € ergänzend eine Gesamtvergabe möglich sein, zugleich bleibt die Fach- und Teillosvergabe als Schutzmechanismus für den Mittelstand erhalten. So sollen Geschwindigkeit und faire Chancen für alle Unternehmensgrößen in Einklang gebracht werden.
Der HDB sieht in der aktuellen Fassung jedoch keinen Beschleunigungseffekt, sondern beschreibt den Entwurf eher als „Anti-Bau-Turbo“ und verweist auf Wiedersprüche zum Koalitionsvertrag. René Hagemann, stellv. Hauptgeschäftsführer, stellt fest: „In der aktuellen Fassung würde der Entwurf zu Mehraufwand, Bürokratie und damit zu mehr Kosten führen.“
Tariftreuegesetz
Beide Verbände unterstützen das Ziel, tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu stärken. René Hagemann stimmt für den HDB zu: „Tarifgebundenheit ist grundlegend für fairen Wettbewerb am Bau und ein Fundament unserer Wirtschaft und unseres Sozialsystems.“ Er kritisiert jedoch, dass der Entwurf „zu massiver Bürokratie“ führe u.a. durch umfangreiche Nachweispflichten, Vertragsstrafen und ausgeweitete Haftungsthemen.
Auch die Einschätzung des ZDB geht in diese Richtung: „Die Stärkung der Tarifbindung ist ein Ziel, das wir ausdrücklich unterstützen. Tariftreue Unternehmen brauchen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge eine faire Chance“, so Felix Pakleppa. Doch auch er fordert u.a. eine Nachbesserung in Richtung „Bürokratievermeidung“, so könnten etwa Nachweise über den Präqualifikationsnachweis (PQ-Nachweis) unbürokratisch erfolgen.
Ausblick
Mit den Kabinettsbeschlüssen ist der politische Rahmen gesteckt, das parlamentarische Verfahren sowie der Bundeshaushalt 2026 entscheiden nun über die Wirkung und Effekte in der Praxis. Der ZDB nimmt nach 100 Tagen einen „spürbaren frischen Wind“ wahr, sieht aber nach wie vor „enorme Herausforderungen“. Der HDB mahnt Tempo an: „Denn alles, was nicht 2025 angestoßen wird, hat für den Wohnungsbaumarkt kaum noch einen Effekt in dieser Legislaturperiode.“
Lesen Sie die Verbands-Statements hier in ganzer Länge:
Pressemitteilung des HDB vom 2. Juli 2025 zur Verabschiedung des Sondervermögens: Kein Verständnis für Streichung der Zusätzlichkeit - Bauindustrie
Pressemitteilung des HDB vom 6. August 2025 zum Vergabebeschleunigungsgesetz: Gesetzentwurf widerspricht Koalitionsvertrag - Bauindustrie
Pressemitteilung des HDB vom 7. August: Tariftreuegesetz: Bürokratie statt fairen Wettbewerbs - Bauindustrie
Pressemitteilung des HDB vom 18. August: Baugenehmigungen: Gedämpfte Halbjahresbilanz 2025
Pressemitteilung des ZDB vom 2. Juli 2025: Sondervermögen von 100 Milliarden für Länder und Kommunen: Baugewerbe kritisiert Kabinettsentwurf für Infrastrukturinvestitionen
Pressemitteilung des ZDB vom 6. August 2025: Baugewerbe zum Vergabebeschleunigungsgesetz: Ein kluger Kompromiss für unsere Infrastruktur und die ganze Bauwirtschaft!
Pressemitteilung des ZDB vom 13.08.2025: Bundesregierung 100 Tage im Amt: Gut gestartet, Herausforderungen bleiben