Der Bauvertrag, sagt der BGH, erfordert eine besonders intensive Kooperation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Wer beim Bauen etwas falsch macht, muss dafür einstehen. Könnte man meinen.
Schaut man allerdings in die Regelungen insbesondere in der VOB/B, stellt man schnell fest, dass dem nicht unbedingt so ist. Die Baufirma haftet nicht nur dafür, was sie selbst falsch macht. Sie hat eine deutlich ausufernde Mängelhaftung. Und es gibt nur ein Mittel, das diese auf die selbst verantworteten Leistungen begrenzt: die Bedenkenmitteilung.
Warum hat sie eine so zentrale Bedeutung im Bauvertrag? Das zeigt der Blick in die beiden entscheidenden Vorgaben in der VOB/B.
Haftungsumfang des Auftragnehmers
In § 13, Abs. 1 steht zunächst einmal, dass der Auftragnehmer, also die Baufirma, ihre Leistung dem Auftraggeber zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen hat. Nachvollziehbar. Gefährlich wird es für eine Baufirma allerdings in Abs. 3. Dort steht:
„Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer (…)“.
Hoppla? Das sind doch alles Themen, für die eine Baufirma gar nichts kann? Die (Planung und) Leistungsbeschreibung erstellt der Auftraggeber. Die Anordnungen erteilt der Auftraggeber. Das Bauunternehmen haftet für Mängel, die entstehen, weil der Auftraggeber Stoffe oder Bauteile in mangelhafter Form vorgeschrieben oder geliefert hat. Dabei ist gerade für die Tiefbauer wichtig: Ein solcher „Stoff“ ist auch der Baugrund, den ja regelmäßig nicht die Baufirma mitbringt. Und die Vorleistungen anderer Unternehmen kann eine Baufirma auch nicht beeinflussen. Dennoch soll sie für alle Mängel haften, die deshalb entstehen?
Begrenzung der Mängelhaftung durch Bedenkenmitteilung
Liest man § 13 Abs. 3 VOB/B bis zum Ende, wird deutlich, wie wichtig die Bedenkenmitteilung ist. Da heißt es nämlich: „(…) haftet der Auftragnehmer, es sei denn, er hat die ihm nach § 4 Absatz 3 obliegende Mitteilung gemacht.“ Das bedeutet übersetzt: Sobald der Bauunternehmer eine Bedenkenmitteilung absetzt (und nur dann), ist er raus aus der Mängelhaftung für all diese Punkte!
Formales zur Bedenkenmitteilung: Was, wann, wie an wen?
Umso wichtiger ist nun zu wissen, wie eine solche Bedenkenmitteilung aussehen muss, damit sie wasserdicht ist. Die Lösung gibt es in § 4 Abs. 3 VOB/B:
„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitzuteilen.“
Die Bedenkenmitteilung muss also unbedingt (zumindest auch) an den Auftraggeber gehen – das ist der, der im Vertrag dort steht, nicht automatisch der/die Architekt/-in auf der Baustelle. Letztere brauchen für die Entgegennahme einer Bedenkenmitteilung eine Vollmacht. Die Rechtsprechung ist inzwischen etwas gnädiger, was eine mündliche Bedenkenmitteilung angeht – aber jede Bauleitung sollte daran denken: Wenn es darauf ankommt, braucht die Baufirma ein Beweismittel dafür, dass eine Bedenkenmitteilung geschrieben worden ist, was darin stand und einen Nachweis, dass sie der Auftraggeber auch erhalten hat.
Was muss in einer Bedenkenmitteilung stehen? Die Baufirma muss möglichst klar und verständlich artikulieren, welchen Mangel sie befürchtet und warum. Auch wichtig: Die Baufirma sollte sich mit Alternativvorschlägen eher zurückhalten, um nicht durch die Hintertüre selbst in die Planungsverantwortung zu schlittern.
Bedenkenmitteilung übermittelt – und dann?
Aber wie geht man mit der Reaktion des Auftraggebers um? Weist er die Bedenken zurück oder reagiert er gar nicht, muss die Baufirma weiterbauen – dafür ist sie aber auch raus aus der Mängelhaftung für den streitigen Punkt. Einzige Ausnahme: Wenn durch das Weiterbauen Gefahr für Leib oder Leben oder bedeutende Schäden entsteht, darf die Baufirma die Vorgabe des Auftraggebers nicht umsetzen und sollte umgehend eine Behinderungsanzeige schicken.
Checkliste Bedenkenmitteilung
- Empfänger sind immer der Auftraggeber bzw. bevollmächtigte Architekten.
- Die Bedenkenmitteilung ist unverzüglich, möglichst schon vor Beginn der Arbeiten zu stellen.
- Die befürchteten Mängel sollen klar und verständlich formuliert und begründet werden.
- Die Zustellung der Bedenkenmitteilung muss nachweisbar sein.
- Weist der Auftraggeber Bedenken zurück oder ignoriert die Mitteilung, baut der Auftragnehmer weiter, es sei denn:
- Entstehen durch den Weiterbau Gefahr für Leib oder Leben oder bedeutende Schäden, stellt der Auftragnehmer den Weiterbau ein und stellt eine Behinderungsanzeige.
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