Klemmt’s rechtlich im Bauprojekt? Dr. Edgar Joussen behält die Baustelle im Blick, kennt den Ärger ums Geld und hat einen Rat für junge Bauleitende.
Baurechtler Dr. Edgar Joussen berät Unternehmen und Führungspersonen bei Großprojekten, kommentiert die VOB, ist Autor des bei Praktikern verbreiteten Handbuchs „Bauvertragsrecht nach VOB und BGB“ und wird oft als Schiedsrichter bei schwierigen Baukonflikten benannt.
Bei den Bauleitertagen 2025/2026 spricht er u.a. über die korrekte Abrechnung von Bauleistungen und das Dickicht der Regelwerke. In unserem Kurzinterview gibt er Einblick in seine Praxis, verrät, warum es bei Abschlags- und Schlusszahlungen oft nicht rundläuft und teilt, was er jungen Bauleitenden mit auf den Weg geben würde.
“ Herr Dr. Joussen, Sie beraten Bauherren bei Großprojekten, schreiben juristische Standardwerke und sind seit Jahren als Schiedsrichter bei großen baurechtlichen Streitigkeiten im Einsatz. Wie schaffen Sie es, über all die Paragraphen hinweg die Realität auf der Baustelle im Blick zu behalten?“
„Die Frage ist gut gestellt, lässt sich aber auch gut beantworten. Ich bin seit ca. 30 Jahren als Anwalt tätig und berate in gleicher Weise Auftraggeber und Auftragnehmer zu baurechtlichen Themen.
Eine gute Beratung setzt voraus, dass man in der Sache weiß, von was man redet. Daher schaue ich mir zumindest größere Bauvorhaben, die ich begleite, vor Ort an oder mache mir ein eigenes Bild z.B. von behaupteten Mängeln. Das hat einen doppelten Effekt: Zum einen kann ich danach die betroffene Partei rechtlich qualifizierter betreuen, wenn ich vor Augen habe, worum es geht. Zum anderen wird in gleicher Weise ein juristischer Kommentar oder ein von mir verfasstes Handbuch einfach besser, wenn ich die persönliche Erfahrung habe.
Oder um das anders zu sagen: In meinem Handbuch zum ‘Bauvertragsrecht nach VOB und BGB’, das gerade in 6. Auflage erschienen ist, gibt es praktisch kein dort beschriebenes Rechtsproblem, das ich nicht mit einem nachvollziehbaren Beispiel unterlege. Versteht man dieses Beispiel, ist ein Bauleiter auch in der Lage, damit selbst in der Praxis umzugehen. Genau das ist es, was eine gute Beratung und übrigens hoffentlich ebenso ein gutes Buch ausmacht. Das gilt übrigens in gleicher Weise für Prozesse, die ich im Ernstfall führe.“
„Im Programm der kommenden Bauleitertage behandeln Sie das Thema: ‘Abschlags- und Schlusszahlung – Was braucht man dafür?’. Warum hakt es an dieser Stelle so oft, obwohl alle eigentlich nur noch abschließen wollen?“
„Ohne Geld kann keine Baufirma überleben. Die VOB/B, die meist vereinbart ist, aber ebenso das BGB verlangen für die Schlussrechnung deren Prüfbarkeit; doch auch eine Abschlagsrechnung muss nachvollziehbar die erbrachten Leistungen darstellen. Die Anforderungen dafür ergeben sich zumindest für den VOB-Vertrag zum Teil aus den Abrechnungsbestimmungen der VOB/C. Dafür braucht man wiederum verständliche Aufmaße, die unterschrieben sind – oder auch nicht. Eigentlich sollte man denken, dass das das 1x1 der Praktiker ist und man dafür keine Juristen benötigt.
Doch ist die Praxis leider anders. Das zeigt die Vielzahl offener Vergütungsstreitigkeiten. Nur ein Beispiel: Warum ist es besser, ein gemeinsames Aufmaß zu haben als ein bestätigtes? Um allein diese Frage zu beantworten, müsste man den Unterschied kennen. Oder: Was bedeutet eine rechtzeitige Zahlung? Bei einem Skonto gelten dazu andere Fristen als bei der Vermeidung eines Verzugs. Zusammengefasst: Es gibt viele Fehler, die man vermeiden – und Punkte, die man optimieren kann.“
„Auf den Bauleitertagen ist der persönliche Austausch zwischen Teilnehmenden und Referenten ein Dreh- und Angelpunkt. Und nun steht Ihnen ein junger Bauleiter oder eine junge Bauleiterin gegenüber und ist vom Umfang der neuen Aufgabe noch völlig überwältigt. Welchen Satz würden Sie ihm/ihr mit auf den Weg geben, bevor er/sie das erste Mal mit einem VOB-Vertrag und einem anspruchsvollen Auftraggeber in die Bauleitung startet? Und warum wäre es genau dieser Satz?“
„Mein Rat wäre: ‘Vertrauen Sie auf die VOB/B und fragen Sie frühzeitig nach, wenn Sie nicht weiterwissen.’
Eine Wunderlösung für alle Probleme gibt es nicht. Auch die VOB/B ist nicht perfekt und enthält manche Klausel, die am Ende ggf. nicht wirksam ist. Trotzdem bietet sie sehr viel eher als das Gesetz einen guten und verlässlichen Rahmen. Dazu sollte man sie natürlich gelesen haben und damit umgehen können. Danach werden sicherlich Fragen bleiben. Dann sollte man sie einfach stellen.
Jeder fängt einmal an und man kann gerade zu vertraglichen Themen nicht alles wissen. Das weiß jeder anspruchsvolle Auftraggeber. Möglicherweise riskiert man zwar im Anschluss daran eine blöde Bemerkung. Das ist aber allemal besser zu verschmerzen, als mit einer falschen Entscheidung wichtiges zu übersehen.
Ich kann meinerseits nur sagen: Ich berate viele Auftraggeber und beantworte dabei jeden Tag zahlreiche Fragen von Bauleitenden. Die Fragen wiederholen sich oft und zeigen mir, wo der Schuh drückt. Diese Themen versuchen wir auch bei den Bauleitertagen zu behandeln. Aber nur mit solchen Fragen kommt man zu Lösungen, die am Ende Streitigkeiten vermeiden. Und wenn man das erreicht, hat eine Bauleitung vieles richtig gemacht.“
„Ob in der Beratung oder auf der Baustelle - am Ende geht es darum, Konflikte von vornherein zu vermeiden, mögliche Unklarheiten rasch auszuräumen und mit dem notwendigen Wissen an die Aufgaben heranzugehen. Danke für die Einblicke, Herr Dr. Joussen!“
Unser Referent und seine Themen
RA Dr. Edgar Joussen
Als Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Joussen & Schranner ist er spezialisiert auf das private Bau-, Vergabe- und Architektenrecht. Zudem ist er Lehrbeauftragter im privaten Baurecht an der Universität Marburg und als Schiedsrichter in großen baurechtlichen Streitigkeiten tätig. Er ist vielfacher Autor für Fachzeitschriften und von Fachbüchern.
Bauleitertage 2025/2026
Im Winterhalbjahr finden die 28. Münchner Bauleitertage und die 25. Kölner Bauleitertage mit neuem Programm statt.
Die Themenschwerpunkte sind in diesem Jahr:
- Kündigung, Abrechnung und Zahlung
- Mitwirkungspflichten des Auftraggebers
- Verjährung von Gewährleistungs- und Zahlungsansprüchen
- Überblick im Dschungel der Regelwerke