Dr. Tobias Rodemann (Mitte) mit den Referentenkollegen der Bauleitertage Dr. Edgar Joussen und Goetz Michaelis (Quelle: Rudolf Müller Mediengruppe)

Aktuelles/Urteile 2025-09-15T11:53:25.085Z 3 Fragen an … Dr. Tobias Rodemann 

Kurzinterview mit einem Stammreferenten der Bauleitertage

Dr. Tobias Rodemann über spannende Gerichtsverfahren, typische Fehlannahmen und wegweisende Urteile im Baurecht.

Als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Spezialzuständigkeit für Streitigkeiten aus Bau-, Architekten- und Ingenieurverträgen bekommt Dr. Tobias Rodemann einiges vorgelegt. Seien es häufig wiederkehrende Standardfehler, skurile Entwicklungen, komplizierte Verflechtungen. Denn eines steht fest: Kaum ein Bauvorhaben wird konfliktfrei durchgeführt. Damit findet unser Referent viel Material für seine Tätigkeit als Autor und Mitherausgeber für baurechtliche Fachzeitschriften, Kommentierung von Fachpublikationen und Vorträge.

Wenn in einem Bauvorhaben Verträge vorzeitig beendet werden, ist dies so gut wie nie mit einem reibungslosen Ablauf verbunden. Was auch immer der Auslöser für die vorzeitige Beendigung ist: Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern sind vorprogrammiert. Im Kurzinterview gibt Dr. Rodemann Einblick in seinen Berufsalltag als Richter, nennt typische Fehleinschätzungen der am Bau Beteiligten und verrät, welches Urteil in seinem Baurechts-Update auf den Bauleitertagen in diesem Jahr nicht fehlen darf. 

Ein Porträt eines lächelnden Dr. Tobias Rodemann mit Brille, in einem hellen Hemd und dunklen Anzug.
Quelle: Tobias Rodemann

„Herr Dr. Rodemann – nach mehr als 20 Jahren Richtertätigkeit für Rechtsstreitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen, zudem auch als Schiedsrichter im gleichen Fachgebiet. Man kann wohl sagen: Sie haben in diesem Bereich schon alles gesehen. Was reizt Sie persönlich an dieser sehr speziellen Materie?“

Zunächst ein Einwand: Alles habe ich bestimmt nicht gesehen. Ich bin immer wieder überrascht, dass Baurechtsstreitigkeiten immer wieder noch ungeklärte Rechtsfragen aufwerfen. Bauwerke sind nun einmal besonders und sie entstehen unter nicht voll kontrollierbaren Bedingungen. Die Verträge sind komplex und häufig sind mehr als zwei Parteien betroffen. Auch die technischen Zusammenhänge können kniffelig sein. Darin liegt aber auch der Reiz: im Spannungsfeld von Recht und Technik eine überzeugende Lösung zu entwickeln. Das gelingt am besten, wenn alle Beteiligten – Unternehmer, Besteller und deren Rechtsanwälte – „vom Fach“ sind und lösungsorientiert vortragen. Wenn es dann trotz verfahrener Lage gelingt, eine für alle tragfähige Lösung zu entwickeln, stellt sich Freude ein.

„In Ihrem diesjährigen Vortrag auf den Bauleitertagen geht es um vorzeitig beendete Verträge – die regelgerechte Abwicklung ist hinfällig, es geht in erster Linie um Schadensbegrenzung.  In der Praxis ist diese Situation meist mit erheblichem Druck und Unsicherheit verbunden. Welche typische Fehlannahme erleben Sie immer wieder, wenn Bauleitende oder Architekturbüros in solche Situationen geraten?“

Ein häufiger Fehler ist die fehlende Dokumentation des Leistungsstands. Es genügt nicht, wenn der Unternehmer oder Planer nach einer Kündigung die erbrachten Leistungen pauschal mit einem Prozentsatz bewertet. Auch Fehlvorstellungen über den rechtlichen Begriff der Leistung sind verbreitet. Wer einen Baukran zur Baustelle bringt, hat im Rechtssinne noch nichts geleistet, sondern nur vorbereitet. Im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund bekommt er hierfür nichts.

„Die Teilnehmenden der Bauleitertage schätzen das regelmäßige Baurechts-Update: Sie bereiten aktuelle Urteile praxisnah auf und kommentieren diese für das anwesende Fachpublikum aus der Bauplanung und -ausführung. Welches Urteil aus den letzten Monaten hat Sie – rein fachlich – besonders überrascht bzw. hat für die Branche wegweisende Auswirkungen, und warum?“

Der Bausenat des Bundesgerichtshofs hat eine wichtige Frage zur Bauhandwerkersicherheit entschieden. Die für Bauunternehmer günstige Vorschrift des § 650f BGB ermöglicht eine Kündigung, wenn der Besteller für den Werklohn nach Aufforderung keine Sicherheit leistet. Der Unternehmer hat dann Anspruch auf den Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen und abzüglich des anderweitigen Erwerbs. Ungeklärt war bisher, wie sich Mängel der Werkleistung auswirken. Das ist nun geklärt.

Mit Spannung erwartet werden zudem zwei Entscheidungen des BGH im Bauträgerbereich. Hat der Bauträger eine unwirksame Klausel zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums vorgegeben, kommt nach der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung in Betracht, dass die Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Mängelbeseitigung de facto nicht verjähren können. Es wird sich zeigen, ob der BGH dieser Auffassung folgt.

Es ist also längst nicht jede Streitfrage im Baurecht geklärt. Gleichzeitig tritt wieder und wieder die entscheidende Rolle hervor, die einer belastbaren Dokumentation und lösungsorientierten Kommunikation zwischen den am Bau Beteiligten zukommt. Es lohnt sich außerdem, die neuesten Urteile stets im Blick zu halten.

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Dr. Rodemann!

Unser Referent und seine Themen

Dr. Tobias Rodemann

Dr. Tobias Rodemann ist stellvertretender Vorsitzender des u.a. für Bau- und Architektensachen zuständigen 22. Zivilsenats und Vorsitzender des für Bau- und Architektensachen zuständigen Commercial Courts des Oberlandesgerichts Düsseldorf und zudem als Schiedsrichter mit Baustreitigkeiten befasst. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, Mitherausgeber der Zeitschrift NZBau sowie ständiger Mitarbeiter der Zeitschriften ibr und BauR.

Bauleitertage 2025/2026

Die 28. Münchner Bauleitertage finden am 10.+11. November 2025 und die 25. Kölner Bauleitertage am 09.+10. Februar 2026 mit neuem Programm statt.

Die Themenschwerpunkte sind in diesem Jahr:

  • Kündigung, Abrechnung und Zahlung
  • Mitwirkungspflichten des Auftraggebers
  • Verjährung von Gewährleistungs- und Zahlungsansprüchen
  • Überblick im Dschungel der Regelwerke

zuletzt editiert am 16. September 2025