Dipl.-Ing. Kai Schulz. Ein schwarz-weiß Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille vor einem dunklen Hintergrund.
Dipl.-Ing. Kai Schulz, Objektüberwacher und Sachverständiger (Quelle: Kai Schulz)

Aktuelles/Urteile 2025-10-24T11:01:39.832Z 3 Fragen an ... Dipl.-Ing. Kai Schulz

Kurzinterview mit dem Gastreferenten der Bauleitertage 25/26

„Eine Baustelle verläuft nicht nach Industrieprozessen.“ Dipl.-Ing. Kai Schulz zu Konflikten im Bauablauf und Tipps für eine reibungsarme Abrechnung.

Mal ist er selbst mit der Bauüberwachung beauftragt und interagiert mit den Baufirmen, mal steht er als Sachverständiger in konfliktbehafteten Situationen neben den streitenden Parteien und hat die Aufgabe, die Lage objektiv einzuordnen und zu bewerten.

Dipl.-Ing. Kai Schulz kennt beide Perspektiven und blickt auf langjährige Erfahrung in der Objektüberwachung wie auch als Sachverständiger zurück. Welchen Herausforderungen er hier begegnet, wie er die Zusammenarbeit mit den Menschen auf dem Bau gestaltet und welche Tipps er zum schwierigen Thema „Abrechnung von Bauleistungen“ hat, lesen Sie hier im Kurzinterview. 

„Herr Schulz, Sie begleiten Bauprojekte seit mehr als zwei Jahrzehnten als Objektüberwacher und haben auch als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden schon viel gesehen. Welche war die bisher größte Herausforderung, der Sie als Objektüberwacher je gegenüberstanden? Und welche Lehren haben Sie daraus gezogen?“

„Herausforderungen in der Objektüberwachung sind vielfältig:  technische Komplexität, Zeitdruck, Kostenkontrolle oder schwierige Kommunikationsstrukturen. Große Herausforderungen ergeben sich aus meiner Erfahrung dann, wenn wir als neues Objektüberwachungsteam ein bereits laufendes, aber gescheitertes Bauprojekt übernehmen, häufig kombiniert mit unserer Tätigkeit als Sachverständige.

Ein konkretes Beispiel: Bei der Sanierung und Erweiterung eines umfangreichen Wohnquartiers mit mehreren tausend Quadratmetern Wohnfläche, bewohnten Einheiten, war das Projekt bereits erheblich ins Stocken geraten. Der ursprünglich beauftragte Architekt war mit der Planung und Objektüberwachung überfordert. Termin- und Kostenpläne waren realitätsfern, die Kommunikation mit den ausführenden Firmen stark gestört. Planungs- und Baumängel waren häufig anzutreffen.

Unsere Aufgabe bestand u.a. darin, das Vertrauen der Firmen und der Bewohner/-innen wiederherzustellen, die Bauabläufe zu stabilisieren, Termin- und Kostenkontrolle neu aufzusetzen und die Projektkommunikation mit allen Beteiligten zu strukturieren. Dabei ging es nicht nur um technische oder organisatorische Fragen, auch psychologisches Geschick war gefragt, um die Zusammenarbeit auf der Baustelle neu zu etablieren.

Die wichtigste Lehre: Bauherrschaften sollten bei größeren Maßnahmen frühzeitig durch eine professionelle Projektsteuerung unterstützt werden. Das dient durchaus der Kontrolle, aber eben nicht nur. Vielmehr kann man dies  als fachlich versiertes Frühwarnsystem begreifen.. So lassen sich Überforderungssituationen, wie sie in diesem Fall entstanden sind, rechtzeitig erkennen und vermeiden. Auch ein gut aufgestelltes Architektenteam profitiert von einer externen fachlichen Begleitung, nicht zuletzt im Sinne des Projekterfolgs.“

„Planung und Überwachung der Bauleistung ist das eine, aber in der Bauleitung geht es auch um den Umgang mit Menschen. Gibt es ein besonderes Erlebnis oder eine Anekdote aus Ihrem Berufsleben, die Ihnen in puncto Kommunikation oder Konfliktlösung im Gedächtnis geblieben ist? Und was leiten Sie daraus ab?“

„Ein prägendes Erlebnis war ein Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 120 Millionen Euro. Zwischen der Bauherrschaft und der Baustelle kam es zu deutlichen Spannungen, die nicht auf das Baugeschehen an sich, sondern auf unterschiedliche Erwartungshaltungen zurückzuführen waren.

Die Bauherrschaft war in ihrer beruflichen Herkunft stark durch industrielle Prozesse geprägt – mit einem hohen Anspruch an Qualitätssicherung, wie sie in Produktionsbetrieben üblich ist: also engmaschige Kontrollen entlang der gesamten Lieferkette. Diese Erwartung wurde nahezu eins zu eins auf das Baugeschehen übertragen – also auf eine Umgebung mit gänzlich anderen Abläufen, Spielregeln und Verantwortlichkeiten.

So entstand etwa Unverständnis, warum auf der Baustelle Mängel an gelieferten Betonfertigteilen festgestellt wurden, obwohl diese nach Auffassung der Bauherrschaft bereits im Werk hätten erkannt werden müssen. Dabei wurde verkannt, dass die Baustelle keine industrieller Fertigung ist, sondern dass die Prozesse im Bauwesen eigene Zuständigkeiten und Schnittstellenverantwortungen hervorbringen. Das wurde zu Beginn nicht ausreichend kommuniziert, und genau darin lag die eigentliche Ursache des Konflikts.

Was ich aus dieser Situation mitnehme: Viele Konflikte im Bauablauf entstehen nicht aus technischen Defiziten, sondern aus Missverständnissen über Rollen, Aufgaben und Abläufe. Um solche Spannungen zu vermeiden, ist es hilfreich, wenn die Objektüberwachung in der Lage ist, die Sichtweise der Beteiligten zu erfassen und gegebenenfalls vermittelnd zu wirken. Auch wenn dies nicht zu ihren originären Aufgaben gehört. Denn je früher Zielkonflikte erkannt und offen angesprochen werden, desto eher lassen sich Reibungsverluste im Projektverlauf vermeiden.“

„Abrechnung von Bauleistungen – nicht gerade ein unterkomplexes Thema und vor allem oft Gegenstand von Kontroversen bei einem Bauprojekt. Zapfen wir doch Ihre Erfahrung als Sachverständiger auf diesem Gebiet einmal an: Was raten Sie der Bauleitung – sowohl auf der auftraggebenden wie auf der ausführenden Seite – wie man in diesem Zusammenhang mit strittigen Situationen umgeht. Wie lauten Ihre ´3 Tipps für eine reibungsarme Abrechnung`?“ 

„Die Grundlage für eine reibungsarme Abrechnung wird bereits in der Ausschreibungsphase gelegt. Wer hier sorgfältig arbeitet, verhindert viele typische Streitpunkte im weiteren Projektverlauf. Die VOB/C liefert hierzu für jeden Leistungsbereich jeweils in Abschnitt 0 klare Hinweise zur Erstellung der Leistungsbeschreibung. Diese werden in der Praxis oft übersehen. Dabei bieten sie eine fundierte Hilfestellung, um Leistungen vollständig, eindeutig und vergaberechtskonform zu beschreiben.

Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft die Abrechnung durch die ausführende Firma. Teilrechnungen dürfen nicht pauschal gestellt werden, etwa mit Formulierungen wie „ein Stück pauschal für bereits geleistete Arbeiten“. Solche Rechnungen sind nicht prüfbar. Jede Teilrechnung muss positionsgenau erstellt werden und ein nachvollziehbares Aufmaß enthalten. Dies ist eine vertragliche Pflicht. Wird von Beginn an so abgerechnet, entsteht ein transparenter Abrechnungsverlauf, in dem Unstimmigkeiten frühzeitig erkannt und geklärt werden können. Das reduziert den Aufwand bei der Schlussrechnung erheblich.

Auch auf Seiten der prüfenden Instanz ist Konsequenz gefragt. Werden Abrechnungsregeln einmal aufgeweicht, entstehen schnell Sonderwege, die in späteren Phasen nicht mehr korrigiert werden können. Daher müssen die geltenden Vorgaben durchgängig eingefordert und bei Abweichungen klar benannt werden.

Ein besonders konfliktträchtiger Punkt ist die Abrechnung nicht beauftragter Leistungen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass zusätzliche Arbeiten ausgeführt werden, ohne dass hierfür eine formale Beauftragung vorliegt. Oft geschieht dies im Einvernehmen mit der Bauüberwachung. Spätestens bei der Schlussrechnung führt diese informelle Praxis jedoch zu Diskussionen. Deshalb gilt: Keine Leistung ohne vorherige Beauftragung. Jede Abweichung vom ursprünglichen Leistungsumfang muss benannt, dokumentiert, angeboten und schriftlich beauftragt werden. Diese einfache Regel ist in der Praxis oft der entscheidende Schlüssel zur Vermeidung langwieriger Abrechnungsstreitigkeiten.

Meine 3 Tipps für eine reibungsarme Abrechnung sind am Ende sogar 4:

  • Für die ausschreibende Seite:

    Ein vollständig und eindeutig formuliertes Leistungsverzeichnis entsprechend der Regelungen der VOB/C ist die Grundlage.

  • Für die ausführende Seite:

    Jede Rechnung muss prüfbar sein, das heißt positionsbezogen, mit konkretem Aufmaß und nachvollziehbarer Mengenermittlung.

  • Für die prüfende Seite:

    Fordern Sie Abrechnungsregeln konsequent ein, auch bei Zeitdruck oder personellen Engpässen. Ausnahmen schaffen Unklarheit und gefährden die Abrechnungslogik.

  • Für alle Beteiligten:

    Keine Leistung erfolgt ohne Beauftragung. Abweichungen vom Vertrag müssen frühzeitig erkannt, klar beschrieben, angeboten und beauftragt werden – auch bei Kleinigkeiten.“

"Zusammengefasst: Professionalität, klare Kommunikation und die Einhaltung klarer Abläufe erleichtern der Bauleitung das Leben. Wie man dies durch eine effiziente Arbeitszeitgestaltung noch unterstützen (und sich selbst entlasten) kann, erfahren wir dann in Ihrem Gastvortrag auf den diesjährigen Bauleitertagen .

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schulz!"

Unser Referent und seine Themen

Dipl.-Ing. Kai Schulz

Dipl.-Ing. Kai Schulz ist Gründer und Inhaber des Ingenieurbüros IBKS, das seit 1998 Bauherren mit fundierter Expertise in Projektleitung und Projektsteuerung begleitet. Seit 2010 steht er zudem als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Sachgebiet „Schäden an Gebäuden“ sowie „Baupreisermittlung und Abrechnung im Hoch- und Ingenieurbau“ für fachliche Präzision und Verlässlichkeit. Kai Schulz ist Autor des Fachbuchs „Baukostenplanung kompakt“ und diverser Beiträge in der Zeitschrift „Der Bauleiter“ zum gleichen Thema. Überdies ist Kai Schulz als Referent für RM Rudolf Müller Medien tätig, beispielsweise auf der Schimmelpilzkonferenz 2025 oder den Bauleitertagen 2025/2026.

Bauleitertage 2025/2026

Die 28. Münchner Bauleitertage finden am 10.+11. November 2025 und die 25. Kölner Bauleitertage am 09.+10. Februar 2026 mit neuem Programm statt.

Die Themenschwerpunkte sind in diesem Jahr:

  • Kündigung, Abrechnung und Zahlung
  • Mitwirkungspflichten des Auftraggebers
  • Verjährung von Gewährleistungs- und Zahlungsansprüchen
  • Überblick im Dschungel der Regelwerke

Dipl.-Ing. Kai Schulz trägt als Gastreferent zum Thema „Statt Chaos Zeit fürs Wesentliche – Arbeitszeit effizient gestalten“ vor.

zuletzt editiert am 24. Oktober 2025