Quelle: Günther Schalk

Aktuelles/Urteile 2025-05-20T12:21:22.063Z 3 Fragen an... Prof. Dr. Günther Schalk

Kurzinterview mit dem Referenten der Praxis-Seminare Bauleitung

Was sagt der Baujurist, wenn’s auf der Baustelle ernst wird? „Kommt darauf an!“
Unser Referent im Interview über klassische Baukonflikte und seinen Respekt für Bauleiter.

Er ist Professor, Fachanwalt, Verfassungsrichter – und trotzdem ganz nah dran an den Herausforderungen auf der Baustelle: Prof. Dr. Günther Schalk vermittelt bei den Praxis-Seminaren Bauleitung von Rudolf Müller Medien juristisches Wissen, das Bauleitende wirklich brauchen. Im Kurzinterview spricht er darüber, worauf es im Baustellenalltag rechtlich ankommt – und was er selbst tun würde, wenn er plötzlich als Bauleiter ranmüsste.

„Herr Professor Dr. Schalk, Sie bewegen sich beruflich zwischen Kanzlei, Gerichtssaal und Hörsaal – wie schaffen Sie es, juristische Paragrafen so zu erklären, dass sie auch draußen auf der Baustelle ankommen?“

"Da kommt mir meine Vergangenheit etwas zugute – in meinem „früheren Leben“ habe ich Ausbildungen als Redakteur und als Sprecher für Hörfunk und Fernsehen absolviert. Ich habe damals einige Jahre für Zeitungen und vor allem Radiosender gearbeitet. Beim Radio lernt man sogar als Zeitungsschreiberling noch gehörig dazu: Für die Ohren zu schreiben, das heißt so zu formulieren, dass jeder den Inhalt versteht. Auch derjenige, der nur nebenbei zuhört. Dafür die passenden Worte zu finden, das ist durchaus eine Kunst.

Juristen schreiben und sprechen ja leider genau mit einem anderen System: Bandwurmsätze, Passivkonstruktionen, Fremdwörter – eine Verunstaltung der deutschen Sprache in meinen Augen. Recht ist nicht gegen, sondern für den Menschen da. Darum ist mir so wichtig, dass die Menschen Recht verstehen.

Gerade die Bauleute haben nun mal eine ganz andere Sprache und eine ganz andere Denkweise. Sie denken erfrischend geradeaus mit Blick auf ein definiertes Ziel: ein rechtzeitig und mangelfrei fertiges Bauwerk. Aber dazu brauchen sie nun einmal das Recht heute mehr denn je.

Und genau darum versuche ich, ihnen Baurecht so zu servieren, dass sie es verstehen können – dann macht es auch mehr Spaß, das Recht im täglichen Ablauf auf der Baustelle anzuwenden."

„Baukonflikte gibt es in Hülle und Fülle und in jeder erdenklichen Spielart. Welcher juristische ‚Klassiker‘ sorgt Ihrer Erfahrung nach dennoch immer wieder für Stress auf der Baustelle? Und wie können Bauleitende dieses Konfliktpotential vermeiden?“

"Beim Stichwort Klassiker fällt mir das immer gleiche Trio ein: Streit über Nachträge, Zwist über gestörte Bauabläufe und Diskussionen über Mängel. Bei diesen Themen lässt sich freilich nicht alles problemlos einsammeln und eintüten. Aber eins hilft immer wieder: Wer schreibt, der bleibt. Und genau so heißt auch ein Klassiker unter meinen Seminaren.

Bauleute sind vielfach Schreibmuffel. Sie möchten nicht schreiben, sondern ein Problem lösen. Aber sie übersehen oft, dass am Ende aller Tage nicht sie selbst, sondern Dritte die Konflikte austragen und darüber entscheiden. Das sind dann die Juristen – Richter und Anwälte - die auf belastbare Informationen zum Konflikt angewiesen sind. An diesem Punkt tritt das Thema wieder zutage: Die Baufirma – oder der Bauherr, je nachdem – kann das, was er vorträgt, nicht beweisen, weil er nur geredet und nicht geschrieben hat.

Dieses Nicht-Schreiben führt auch immer wieder zu Formfehlern, etwa wenn der Bauunternehmer vergisst, Bedenken gegen die vorgesehene Ausführung mitzuteilen oder wenn er übersieht, eine frühzeitige Behinderungsanzeige an den Auftraggeber zu schicken.

Mit ausreichend Dokumentation und dem richtigen Schriftverkehr lassen sich sehr viele Streitigkeiten von vornherein verhindern."

„Stellen Sie sich vor, Sie müssten morgen selbst einmal als Bauleiter in die Sicherheitsstiefel steigen – Baubesprechung um 10 Uhr, der Nachunternehmer spielt nicht mit, das Bautagebuch wartet auf ein dringendes Update. In welche Situation würden Sie nur ungern geraten, die Bauleitende als Teil ihres Arbeitsalltags regelmäßig meistern müssen? Und was aus Ihrem Alltag als Professor und Fachanwalt wäre Ihnen als Bauleiter nützlich?“

"Ich habe generell größten Respekt vor der Arbeit von Bauleitern, weil sie ständig mehrdimensional denken und arbeiten müssen. Dafür braucht es eine gehörige Portion Multitasking-Fähigkeit, um den Laden am Laufen zu halten. Es ist ja nicht nur die tägliche Handvoll Probleme, die gleichzeitig Lösungen brauchen. Vielmehr erfordert diese Aufgabe auch einen ständigen Spagat zwischen Technik, Logistik, Baubetrieb und Baurecht.

Ich kann durchaus einige Parallelen zwischen meiner Arbeit und der der Bauleitung ziehen, auch wenn die fachliche Überschneidung auf das Baurecht begrenzt ist. Vor allem die Rolle als Vermittler und Konkretisierer komplexer Sachverhalte, als Löser schwieriger Situationen kenne ich sehr gut. Meine in langen Jahren trainierte Fähigkeit, verworrene Lagen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen schnell zu durchschauen und einen Blick für pragmatische Lösungen zu haben, scheint mir eine nützliche Eigenschaft als Bauleiter.

In welche Situation würde ich als Bauleiter ungern geraten? Schwierige Frage. Vor allem würde ich keine Situation erleben wollen, in der ein Mensch auf der Baustelle zu Schaden kommt. So seltsam es sich für die innerlich oft rotierende Bauleitung anhören mag: Jede andere, noch so dramatisch erscheinende Situation kostet allenfalls Zeit und Geld. Das ist ärgerlich, aber man kann alles irgendwie in den Griff bekommen. Aber wenn Menschen auf einer Baustelle verletzt werden oder im schlimmsten Fall sogar ums Leben kommen, das ist für mich das größte vorstellbare Drama. Ich habe einige solcher Fälle schon als Anwalt begleiten müssen. Ein Bauleiter fühlt sich in einem solchen Fall immer mitverantwortlich, selbst wenn er es in einem konkreten Einzelfall definitiv nicht ist. Dieses Gefühl wünsche ich keinem Bauleiter."

„Fazit: Wer auf der Baustelle Verantwortung trägt, braucht nicht nur gute Nerven – sondern auch das richtige rechtliche Rüstzeug. Danke, Herr Professor Dr. Schalk!“

Unser Referent und seine Themen

Prof. Dr. jur. Günther Schalk

ist u.a. Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Honorarprofessor für Bau-, Vergabe- und Umweltrecht an der THD (Technische Hochschule Deggendorf) sowie Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht an der Technischen Universität Hamburg. Zudem ist Schalk bayerischer Verfassungsrichter und bekleidet das Amt „Weiteres stellvertretendes nichtberufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs“.

Praxis-Seminare Bauleitung 2025

Im September finden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Praxis-Seminare Bauleitung in Köln statt. Die Themen sind in diesem Jahr:

  • Wer schreibt, der bleibt! Rechtsicherer Schriftverkehr und Dokumentation
  • Pfusch am Bau? Richtig umgehen mit Mängeln & Co.
zuletzt editiert am 20. Mai 2025