Über 150 Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Honorar, Architektenvertrag und Haftung
Rund um Honorarermittlung, anrechenbare Kosten, Architektenverträge, geschuldete Leistungen und Haftungsfragen kommt es häufig zu Diskussionen: Zu typischen Streitfällen und Problemen aus der Praxis liefert „HOAI kompakt“ konkrete Lösungen.
Das Buch beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die HOAI, wie sie sich für Architekten und Ingenieure täglich stellen – von Akquise und Vertragsabschluss bis hin zur Schlussrechnung und Haftung.
Der Ratgeber erklärt anhand von Fallbeispielen die wichtigsten Regelungen, Rechte und Pflichten, liefert praktische Tipps und Handlungsempfehlungen und ermöglicht so eine sichere Projektabwicklung.
Das kompakte Nachschlagewerk im handlichen DIN A6-Format ist immer griffbereit und schnell zur Hand.
Der Ergänzungsband zu HOAI kompakt fasst die Änderungen und Neuerungen der HOAI 2013 zusammen. Über 30 Fragen liefern praktische Tipps und Handlungsempfehlungen zur Anwendung der neuen Honorarordnung (HOAI 2013).
Leseproben
Frage 35:
Der Architekt ist mit der Leistungsphase 8 der Objektplanung
eines Gebäudes beauftragt. Was bedeutet das für die von ihm
geschuldete Leistung?
Antwort:
Die Leistungsphase 8 ist die Bauüberwachung. Was typischerweise
dazu gehört, ist in Anlage 11 zur HOAI – unter der Überschrift
„Leistungsphase 8: Objektüberwachung (Bauüberwachung)“
– im Einzelnen beschrieben. Solange die Parteien nicht
vereinbart haben, dass der Architekt jede der dort aufgeführten
Leistungen tatsächlich erbringen muss, ist dies nicht erforderlich.
Er hat lediglich den mit dem Architektenvertrag angestrebten
Gesamterfolg herbeizuführen.
Was aber ist der Gesamterfolg in Leistungsphase 8? Der Architekt
schuldet nicht die Herstellung des Gebäudes. Schuldner dieser
Verpflichtungen sind der oder die Bauunternehmer. Der
herbeizuführende Erfolg ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
das Entstehenlassen eines plangerechten und
mängelfreien Gebäudes.
Diese Rechtsprechung ist nicht ganz unproblematisch, denn das
Entstehenlassen ist ein Prozess, ein Erfolg hingegen ein Ergebnis.
Man kann sagen: Der bauüberwachende Architekt hat seine
Verpflichtung in jedem Fall ordnungsgemäß erfüllt, wenn ein
plangerechtes und mängelfreies Gebäude entstanden ist. Sollten
die Bauunternehmer von Plänen abgewichen oder sollten
Baumängel vorhanden sein, so bedeutet das noch nicht automatisch,
dass der Architekt seine Pflicht nicht erfüllt hat. Die Abweichungen
von der Planung und die Mängel können aber einen Mangel seiner eigenen
Leistung darstellen. Dies ist nicht bei jeder Abweichung und bei jedem Baumangel der Fall.
Ein Bauleiter kann nicht alles sehen; er kann insbesondere nicht an vielen
verschiedenen Stellen der Baustelle gleichzeitig sein. Ein
Mangel seines Werks liegt in jedem Fall vor, wenn bei ganz besonders
wichtigen Gewerken (z. B. Abdichtungen) die Bauleistung
nicht ordnungsgemäß ausgeführt ist. Denn so etwas muss
einem Bauleiter immer auffallen.
Der Bauüberwacher sollte eine Terminplanung anfertigen,
anhand der er überschauen kann, wann welche Gewerke
ausgeführt werden sollen. Er sollte die beteiligten Unternehmer
anhalten, ihm vor der Ausführung wichtiger Bauteile so
rechtzeitig Bescheid zu geben, dass er disponieren und sicherstellen
kann, dass er bei der Ausführung anwesend ist.
Und ganz wichtig: Das so beliebte Improvisieren (unter Abweichung
von den Plänen) ist im Regelfall schädlich.
Frage 156:
In welchen Fällen ist der Bauüberwacher für Mängel am
Bauwerk verantwortlich?
Antwort:
Die Aufgabe des Bauüberwachers besteht darin, ein mängelfreies
und plangerechtes Gebäude entstehen zu lassen. Das heißt
aber nicht, dass jeder Baumangel, der in einem Gebäude vorhanden
ist, vom Bauüberwacher zu verantworten ist. Zunächst
müssen die Bauunternehmer selbst für ihre Fehler einstehen.
Der Bauüberwacher haftet neben den Bauunternehmern nur
dann, wenn dieser bei der Bauüberwachung einen eigenen Fehler
gemacht hat. Solche Fehler kann man jedenfalls in folgenden
Fällen feststellen:
Beispiele
● Es sind Baumängel an einem besonders wichtigen Gewerk
vorhanden, etwa der Abdichtung eines Gebäudes.
Hier sagt die Rechtsprechung, dass der Bauüberwacher
in jedem Fall diese besonders wichtigen Arbeiten persönlich
beobachten muss. Er muss unbedingt sicherstellen,
dass die Arbeiten ordentlich ausgeführt werden. Sind
also Fehler an solchen Gewerken vorhanden, liegt in der
Regel ein Fehler des Bauüberwachers vor, denn er war
entweder nicht anwesend oder hat trotz seiner Anwesenheit
die mangelhafte Ausführung nicht bemerkt. In beiden
Fällen haftet er.
● Es sind ganz offensichtliche Mängel vorhanden, die niemandem
verborgen bleiben können. Hier muss der Bauüberwacher
darauf drängen, dass der zuständige Bauunternehmer
den Mangel beseitigt. Der Bauüberwacher
haftet insbesondere dann, wenn er im Namen seines Auftraggebers
die mangelhafte Leistung abnimmt.
● Der Bauüberwacher haftet auch, wenn er dem Auftraggeber
empfiehlt, Abschlagsrechnungen oder Schlussrechnungen
von Bauunternehmern zu begleichen, obwohl
ohne größeren Aufwand festgestellt werden kann, dass
dessen Leistungen nicht in Ordnung waren.
Bei kleineren Baustellen wird häufig gestritten, weil die Auftraggeber
meinen, der Architekt sei nicht oft genug auf der
Baustelle anwesend. Gerade bei Verbrauchern bestehen sicherlich
Fehlvorstellungen über die Notwendigkeiten und
den Umfang der Verpflichtungen des Bauleiters. Dennoch:
Zufriedene Auftraggeber sehen selten Anlass, sich über Honorare
zu streiten (das gilt auch für Profi-Auftraggeber). Es
ist daher nie falsch, wenn möglich eine größere Präsenz zu
zeigen als eigentlich notwendig.
© HOAI kompakt, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, 2013