Bedarfspositionen – ins LV aufnehmen oder besser nicht?
„Bedarfspositionen sind grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.“ (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A)
Die Formulierung in der VOB lässt zwar ein Hintertürchen offen, weist jedoch unmissverständlich auf den Ausnahmecharakter dieses Positionstypus hin. Bedarfspositionen (auch als Eventualposition benannt) dürfen nach gängiger Rechtsprechung nicht dazu verwendet werden, die Mängel einer unvollständigen Planung zu kaschieren. Bei der Vergabe dürfen Bedarfspositionen, bei denen im LV nur der EP anzugeben war und die somit nicht in die Angebotsendsumme einfließen, nicht gewertet werden, d. h., der AG darf das Ausschreibungsergebnis durch „Aktivierung“ von Bedarfspositionen nicht verändern. Andernfalls könnte der AG die Bieterreihenfolge durch die Auswahl von Bedarfspositionen beliebig steuern.
Typische Fehler
- Bedarfspositionen werden ins LV aufgenommen, weil die Werkplanung bzw. die notwendigen Voruntersuchungen (z. B. Baugrund) noch nicht abgeschlossen sind.
- Unbekannte Sachverhalte werden beschrieben, um für alle künftigen Entwicklungen auf der Baustelle gerüstet zu sein und Nachträge zu vermeiden.
- Die Zahl der Bedarfspositionen im Verhältnis zur Anzahl der Normalpositionen ist unverhältnismäßig hoch.
- Eine Bedarfsposition wird ohne Gesamtbetrag und mit Menge 1 ins LV aufgenommen.
Bedarfspositionen werden meistens erst nach Vertragsschluss, d. h. während der Ausführungszeit, vom AG beauftragt. Der Bauunternehmer geht zum Zeitpunkt der Angebotskalkulation ein nicht kalkulierbares Risiko ein, da ihm nicht bekannt ist, welche Eventualpositionen mit welcher Menge und vor allem zu welchem Zeitpunkt zur Ausführung kommen. Er wird sich durch überhöhte Preise dagegen schützen, zumal der EP nicht in die Wertung eingeht.
Werden die Bedarfspositionen mit „realistischen“ Mengen in das LV aufgenommen, erhöht sich die Angebotssumme. Dadurch ist keine sachgerechte Kostenkontrolle mehr möglich, da der AG zum Zeitpunkt der Vergabe nicht weiß, welche Bedarfspositionen zur Ausführung kommen und welche nicht.
Werden die Bedarfspositionen mit unangemessen hohen EP beauftragt, kann dies für den AG sehr teuer werden, insbesondere wenn die Mengen zu niedrig ermittelt oder geschätzt wurden. Da auch bei Bedarfspositionen bei Mengenmehrungen nach § 2 Abs. 3 VOB/B auf Verlangen ein neuer EP unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu bilden ist (die Kostenbestandteile der Teilleistung aus der Angebotskalkulation also erhalten bleiben), wird für den AG nichts Besseres herauskommen. Der Leitsatz „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ wirkt sich dann für den AG nachteilig aus.
Können bei Erstellung des LV z. B.
- geologische Risiken im Baugrund,
- Hindernisse im Baugrund (z. B. Bauteile aus früheren Bebauungen, in Plänen
- nicht eingezeichnete Versorgungsleitungen, unbekannte Kampfstoffe etc.),
- gefährliche bzw. kontaminierte Baustoffe bei Abbrucharbeiten,
- Baukonstruktionen (z. B. beim Bauen im Bestand)
nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand erkundet werden, sollte in der Leistungsbeschreibung auch nicht versucht werden, Unbekanntes zu beschreiben bzw. es dem Bieter als unwägbares Risiko aufzubürden.
Sind geänderte oder zusätzliche Leistungen erforderlich, sind beide Seiten mit einem Nachtragsangebot nach § 2 Abs. 5 bzw. 6 VOB/B in der Regel besser bedient, da Nachtragsleistungen in den meisten Fällen auf Basis der Vergütung für die vertragliche Leistung kalkuliert werden können. In das (idealerweise) vom Planer erstellte Nachtrags-LV mit genauen Ausführungsfristen, Mengenangaben, Baustellenbedingungen und technischen Randbedingungen kann der Kalkulator in der Bauunternehmung nun zuverlässig seine Preise eintragen.
Praxistipp
Auf Bedarfspositionen sollte in Ausschreibungen grundsätzlich verzichtet werden. Bedarfspositionen sind vergaberechtlich und bauvertraglich kritisch. Bedarfspositionen benachteiligen den AN unangemessen, da sie quasi „Positionen in Warteschleife mit ewiger Preisgarantie“ sind. Wird in die Leistungsbeschreibung ausnahmsweise eine Bedarfsposition aufgenommen und stellt sich während der Bauarbeiten heraus, dass diese ausgeführt werden muss, ist dem AG zu empfehlen, diese in einem gesonderten Schreiben mit genauer Menge zu beauftragen.